…und noch mehr Fragen und Antworten…

Diese Seite wird laufend ergänzt.

Frage (F.): Was sind Ihre Inspirationen?

I.H.: Die wichtigste Inspiration ist die Natur. In der Natur finde ich von den Farben, über Strukturen zu Stimmungen und von der Schönheit bis zur Gewalt – einfach alles.

Inspiration finde ich auch im alltäglichen Leben. Das kann ein Gespräch sein, eine zufällige Beobachtung, ein Ausstellungsbesuch, ein Text, den ich gelesen habe, Geschichten, die mir Menschen erzählen von der Geburt bis zum Tod. Auch die Fotografie selbst kann eine Inspiration sein.

Immer wieder lese ich philosophische Texte, besonders zum Thema Fotografie. Die Schriften von Jean Baudrillard «Warum ist nicht alles schon verschwunden» und Vilém Flusser «Für eine Philosophie der Fotografie» haben mich besonders in der Phase, als ich mich für diese Technik und Arbeitsweise entschied, wesentlich beeinflusst.

Alles, was mich inspiriert ist mir gleichzeitig auch eine Motivation.

F.: Wieviel Zeit braucht es, bis ein Bild fertig ist?

I.H.: Bevor ich anfange am Bild zu nähen, hängt es meist schon eine Weile an der Wand. Vielleicht habe ich das Bild auch schon einmal weggelegt und wieder hervorgeholt. Ich schaue das Bild so oft an, bis ich weiss, was ich will. Danach entscheide ich, wie ich meine Absicht erreiche. Dieser Prozess kann sich über Wochen hinziehen. Während ich an einem Werk arbeite, werde ich es immer wieder weglegen. Ich arbeite immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Diese Pausen geben mir eine Distanz und helfen mir, wieder Entscheidungen zu treffen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Bilder an denen ich durchgehend gearbeitet habe, letztendlich immer im Papierkorb landen.

Zusätzlich zur Arbeit am Bild kommt ein langer Prozess des Generierens der fotografischen Grundlage: die Wanderung, das Fotografieren, die Entwicklung des Negativs und die Exposition auf das Papier. Die «Bilder-Ruhezeiten» sind mir wichtig. Vieles läuft auch parallel. Langsamkeit ist ein Element meiner Arbeit.

F.: Was ist das schönste Kompliment?

I.H.: Wenn eine Person sagt, dass sie von meinen Bildern oder von einem Bild berührt ist. Wenn jemand berührt ist, entsteht eine Beziehung. Wo eine Beziehung entsteht, wächst die Aufmerksamkeit, die Empathie die Fürsorge – dort findet «sehen» statt, im Gegensatz zu «übersehen».

Ich möchte mit meinen Arbeiten Menschen berühren.

F.: Welche weiteren Rückmeldungen freuen Sie?

I.H.: Eine Besucherin einer Ausstellung hat mir einmal gesagt, dass sie seit der Entdeckung meiner Bilder jetzt allen Bildern misstraut. Da ist etwas passiert, ein Misstrauen ist entstanden, eine Sensibilität für real/künstlich. Diese Personen werden kritisch, sie schauen genau hin. Das ist doch ein grosses Geschenk!

Viele Menschen erzählen mir von Beobachtungen in der Natur. Häufig sind es Geschichten der Erinnerung an die Kindheit. Das finde ich spannend. Oft fällt dann das Wort Heimat.

Die Reaktionen sind vielfältig. Es ist mir wichtig, dass mein Werk vielseitig wahrgenommen werden kann, auch wenn ich stets Landschaft darstelle.

F.: Sind ihre Werke auch eine umweltpolitische Arbeit?

I.H.: Nein und ja.

Nein, weil es nicht mein Thema in diesen Bildern ist.  Ich möchte mit meinen Bildern nicht belehren und nicht mit dem Finger zeigen. Ich möchte auch nicht aufzeigen was kaputt gegangen ist und zerstört wurde.

Ja, weil mir der Umweltschutz viel bedeutet. Die Natur ist unser Lebensraum. Wir zerstören ihn und vernichten damit unsere Grundlage. Wenn jetzt jemand von meinen Arbeiten berührt ist, wird diese Person vielleicht eine neue Aufmerksamkeit der Landschaft entgegenbringen.

Der Umweltschutz hat es gerade schwer. Lösungen sind nicht in Sicht, werden als nicht realisierbar wahrgenommen oder wieder zerstört. Partikularinteressen dominieren, der Fokus auf Geld und die Angst vor Verlust verhindern den freien Blick auf andere Wege. Ich glaube, um wieder weiterzukommen braucht es Versöhnung. Vielleicht leisten meine Bilder einmal einen Beitrag dazu. Auf jeden Fall braucht es viele Bilder von Landschaft und Natur, um uns nicht vergessen zu lassen, dass wir zu unserer Lebensgrundlage Sorge tragen müssen.

F.: Wie kam es dazu, dass Sie Ihrer der Sprache der Fotografie eine Geste hinzufügen, die mit der Materialität verbunden ist? Steht das vielleicht in Zusammenhang mit Ihrer Rolle als Bildhauerin?

I.H.: Mit dem Nähen habe ich ein Werkzeug mit vielen Möglichkeiten in der Hand: einmal ist das Nähen näher an einer Zeichnung, das nächste Mal ist es näher an einem Gemälde. Aber jedes Mal ist es eine Skulptur, denn ich füge mit dem Faden Material hinzu, so wie man es bei einer Skulptur macht, oder ich kann auch die Farbe des Fadens benutzen, um den Raum abzubauen oder zu verdrängen. Das Nähen gibt mir auch die Möglichkeit, die hinzugefügte Struktur wie ein Netz transparent zu halten oder eine Bildfläche vollständig zu füllen und zu bedecken. Ich benutze den Faden und die Nadel wie Hammer und Meißel oder wie Ton. So bezeichne ich mich auch als Bildhauerin. Das Nähen hat noch weiter Qualitäten. Auch wenn es so aussieht, als würde sich die Naht sorgfältig in das Foto einfügen, so ist die Nadel doch eine brutale Zerstörung, die das Bild zerstören muss, bevor der Faden eine neue Realität aufbauen kann. Das Nähen hat auch etwas Verbindendes zwischen der Realität der Fotografie und dem Hinzugefügten.

F.: Das Nähen ist eine tief verwurzelte weibliche Geste. Was bedeutet es für Sie?

I.H.: Diese weibliche Geste war und ist für mich nicht wichtig. Für mich war das Nähen immer ein Werkzeug, mit dem ich meine visuelle Sprache erschaffen kann.

F.: Wie entstand die erste Idee, der wirklich erste Anfang Ihrer Bildkreation?

I.H.: Es war noch während meines Studiums, als ich viel mit Fotografien gearbeitet habe (damals waren es ganz selten Landschaften). Ich war jedoch mit keinem Foto wirklich zufrieden. Das Gesehene, die Erinnerung, das Abbild, die Realität  – passte alles nicht zusammen, immer vermisste ich etwas.

 Ich hatte einen Stapel Fotos und sah sie immer wieder durch. Sie waren ok aber ich war nicht zufrieden. Ich wusste, dass ich sie zerreissen werde. Es war danach kein bewusster Entscheid, eher eine spontane Handlung ohne nachzudenken woher sie kam und warum. Ich sah die Nähmaschine und dachte, dass ich die Bilder statt zu zerreissen auch mit der Nähmaschine zerstören kann. Ich nahm ein Bild und nähte einfach hin und her, wie wenn man auf einem Blatt Papier kritzelt. Ich erinnere mich noch, es war ein Bild von der Stadt und ein grüner Faden. Nichts besonderes. Aber mich hat es berührt. Danach habe ich angefangen damit zu experimentieren und habe 2 Jahre lang daran gearbeitet bis ich die ersten Bilder zeigte. Diese waren aber noch ohne Farbe. Dann dauerte es wieder eine Weile bis ich die Farbe ins Bild brachte.

Danach gab es wieder eine Pause und ich wollte eigentlich damit aufhören. Als ich 2009 einen langen Aufenthalt als Artist in Residenz in Graz, A hatte, habe ich viel über die Philosophie der Fotografie gelesen. Das war dann eigentlich der bewusste Entscheid um diese Arbeit weiter zu  verfolgen und zu entwickeln.

F.: Ist es möglich diese Arbeit mit einem digitalen Bild als Grundlage zu realiserien?

I.H.: Ich habe mich für die Fotografie und das analaoge Bild entschieden, weil ich jede Technik der Bilderproduktion in der Kunst als eine eigene Bildsprache verstehe und mir die Bedeutung und Wirkung dieser analogen Bildtechnik wichtig ist.

Jeder Schritt ist eine Bildinformation, die sich an den Betrachter – ob bewusst oder unbewusst wahrgenommen – richtet.

Jeder Schrit ist dabei wichtig: der fotografische Akt, der chemische Prozess zum Sichtabrmachen der Bildinformationen auf den Negativ, das Belichten auf Papier und wieder der chemische Prozess, welcher die belichteten Silberkristale sichtbar macht. Auch die zeitliche Verzögerung und die Dunkelkammer sind Teile der Bildinformation.

Das digitale Bildverfahren mit Pixel, computerunterstützter Bildbearbeitung bis zur Bildkonstruktion ist für mich etwas ganz anderes und für diese Arbeit nicht geeignet.

F.: Welche Begriffe würden Sie als Sprache der Fotografie und des analogen Bildes bezeichnen?

 I.H.: Erinnerung, Dokumention, Ab-Bild, Vergangenheit, Vergänglichkeit, Vergessen, Sterben & Tod, Reproduktion, Stillstand, der eingefrorene Moment, Licht-Bild, technisches Bild, Aktion, Realität, der distanzierte Blick, gleichzeitige Anwesenheit und Abwesenheit…